Carplane: Ein Auto soll abheben

Carplane: Ein Auto soll abheben. © spothits/Auto-Medienportal.Net/Carplane
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Die Eier legende Woll-Milch-Sau zu züchten ist bislang noch niemandem gelungen. Ebenso wenig wie die Konstruktion eines Fahrzeugs, das nur zwei gegensätzliche Aufgaben perfekt meistert.

Carplane: Ein Auto soll abheben. © spothits/Auto-Medienportal.Net/Carplane
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Ein flugfähiges Auto wenige Wochen vor seinem Jungfernflug

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Ein Motorsegler wird von keinem Wassersportler geschätzt – wegen gleichermaßen mangelhafter Eigenschaften als Motor- wie als Segelboot. Und ein Amphibienauto konnte sich in der Vergangenheit allenfalls beim Militär nennenswert durchsetzen. Ähnlich das bisherige Schicksal flugtauglicher Autos. Von ihm träumen Ingenieure fast schon seit der Erfindung des Automobils. Schätzungsweise mehr als 2000 Versuche hat es seit 1911 gegeben, davon konnten sich etwa 300 tatsächlich in die Lüfte erheben. Beim jüngsten Versuch stürzte ein Aeromobil-Prototyp am 8. Mai 2015 mit seinem Konstrukteur Stefan Klein am Steuer aus 300 Metern Höhe ab. Der Pilot konnte sich mit dem Fallschirm retten. Jetzt steht jedoch wieder ein flugfähiges Auto wenige Wochen vor seinem Jungfernflug, dem selbst professionelle Piloten realistische Chancen einräumen

„Carplane“

„Carplane“ nennt sich das einmotorige Vehikel, bestehend aus zwei separaten Kabinen für jeweils eine Person und einer Reichweite von geschätzten 830 Kilometern in der Luft bei einer Reisegeschwindigkeit von 200 km/h, Piloten sprechen von 108 Knoten und 125 mph. Die maximale Flughöhe soll 4570 Meter bzw. 15 000 Fuß betragen. Am Boden beträgt die Spitzengeschwindigkeit 176 km/h, wobei der Motor, eine Konstruktion von LSA-Engines aus Berlin, einem Spezialisten für Ultraleichtflugzeug-Antrieben, die Abgasnorm Euro 5 erfüllen soll.

Die Anforderungen an das flugfähige Auto lauteten: Ein Zwei-Personen Fahrzeug mit zwei ganzen, nicht gefalteten Flügeln und vier großen Rädern mit Niederquerschnittsreifen, es soll in eine Hausgarage passen, gut fliegen (mindestens so gut wie ein Ausbildungsflugzeug) und gut fahren (mindestens so gut wie ein Kleinwagen). Die Auswertung zahlreicher Konfigurationen ergab, dass dies am besten mit einer Zwei-Rumpf-Auslegung erzielt werden kann.

Der treibende Kopf hinter dem Projekt gehört dem akzentfrei deutsch sprechenden Australier John Brown (52), ehemaliger Linienpilot, Fluglehrer, Unternehmensberater und Autor eines Buchs zum Thema. Seit 30 Jahren schon zerbricht er sich den Kopf an seinem Lieblingsprojekt. Zusammen mit seiner Geschäftsführerin Angela Fleck, ebenfalls Pilotin und Unternehmensberaterin, betreibt er in Braunschweig die Carplane GmbH, wo eine winzige Mannschaft von fünf Ingenieuren das Flugauto konstruiert. „Wir arbeiten mit so viel Subunternehmen zusammen wie möglich“, erklärt Brown.

Begonnen hatte die Firma in München. Doch da sich Bayern mit Fördergeldern für Start-up-Unternehmen mehr als schwer tut, siedelte die GmbH ins niedersächsische Braunschweig in enger Nachbarschaft zur dortigen Technischen Hochschule und dem Luftfahrtbundesamt um, wo staatliche Finanzhilfen leichter zu bekommen sind. Der Schritt erwies sich als klug: Es gab Geld. 2011 zudem den Preis der Projekt-Region Braunschweig und der Wolfsburg AG, einem Gemeinschaftsunternehmen der Stadt Wolfsburg und der Volkswagen AG. Im gleichen Jahr erhielt Carplane als Deutsche Innovation des Monats Juni einen Preis der Deutschen Wissenschaft- und Innovationshäuser (DWIH), einer Initiative des Auswärtige Amts und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in enger Zusammenarbeit mit einer Allianz der renommiertesten deutschen Wissenschaftsorganisationen. Noch höhere Weihen gab es im vergangen Jahr durch die EU-Kommission, die für „Best Practice“ im Projektmanagement 200 000 Euro springen ließ. Carplane, so die Begründung, hatte bislang seine Zeit- und Budget-Ziele zuverlässig eingehalten.

Was unterscheidet Carplane von bisherigen Fahrzeugen dieser Art?

Erstmals an die Öffentlichkeit wagte sich Carplane im Frühjahr 2011 auf dem Stand von Niedersachsen bei der Hannover-Messe. Ein Jahr später trat das Unternehmen formell in das Zulassungsverfahren beim Luftfahrtbundesamt in Braunschweig ein. Einen Prototyp leibhaftig sehen und technische Einzelheiten erfahren konnten im April dieses Jahres zum ersten Mal Besucher der Luftfahrtausstellung Aero-Expo in Friedrichshafen, wo sich auch EU-Kommissarin Violeta Bulc am Stand sehen ließ. Mit Stolz verkündete das Unternehmen: „Der Carplane ist weltweit das einzige Flugauto, das sich gerade im formellen Zulassungsverfahren befindet. Er ist außerdem das erste herkömmlich zugelassene Flugzeug überhaupt, das die strengen Straßen-Abgasnormen erfüllt. Was ihn von bisherigen Fahrzeugen dieser Art unterscheidet, ist dass er sowohl gute Flugleistung als auch gute Fahrleistung hat und eine weltweit gültige Zulassung als VLA (Anm. d. Red: Very Light Aircraft) erhält.“

Ursprünglich sollte das Flugauto mit drei Motoren ausgerüstet werden: Ein herkömmlicher Benziner für die Luft und zwei Elektroaggregate an den Naben der Vorderräder. Da die erforderlichen Batterien aber viel zu schwer gewesen wären, blieb es bei dem einen Viertakter. Jetzt bringt der Carplane 750 Kilogramm Startgewicht auf die Waage und benötigt mit seiner Spannweite von knapp zehn Metern nur eine 85 Meter lange Start- und Landebahn. Für den Straßenbetrieb werden die Flügel wie bei einem Segelflugzeug während des Transport auf das Dach geklappt und sorgen so für Abtrieb.

Das Flugauto

John Brown weiß, dass Widersprüche das Flugauto-Design bestimmen: „Auftrieb in der Luft muss in Abtrieb auf der Straße umgewandelt, der Schwerpunkt verlegt und der Motor strenge Abgasnormen erfüllen beziehungsweise im Stau gekühlt werden. Das alles darf nur so viel wie ein Sportflugzeug wiegen.“ Diese flug-physikalischen Bedingungen glaubt er gemeistert zu haben: „Die Herausforderung lautet nicht einfach, ein Auto zum Fliegen zu bringen, sondern es sicher genug zu machen, dass es eine Zulassung erhält.“ Als Preis schweben ihm 200 000 Euro vor, sollte die Nachfrage groß sein, könnte sich der Betrag halbieren. Darin, dass in Deutschland ausschließlich auf Flugplätzen gestartet und gelandet werden darf, sieht er kein Problem: „Statistisch gesehen gibt es alle 46 Kilometer einen.“

Die meisten Chancen dürfte sein Flugauto in den USA haben, wo für solche Vehikel lediglich eine Ausbildung von 20 Stunden verlangt wird.
Als eine Art Gütesiegel für dortige Interessenten führt die Carplane GmbH folgende Feststellung ins Feld: „Der Carplane ist ein deutsches Auto. Eine Zulassung für Autobahn-Fahrten bedeutet, dass wir mehr auf Handling, Leistung und Qualitätskontrolle Wert legen.“

sph/ampnet/hrr

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