Gezerre um einen Ferrari 375 Plus nähert sich dem Ende

Gezerre um einen Ferrari 375 Plus nähert sich dem Ende. © spothits/Auto-Medienportal.Net/Bonhams
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Für 2500 Dollar kaufte ein exzentrischer Amerikaner 1958 das ausgebrannte Wrack eines Ferrari-Rennwagens. Damals und auch später dürfte er mit Sicherheit nicht die geringste Ahnung davon gehabt haben, dass dieses Auto 57 Jahre später einen beispiellosen Irrweg rund um die Welt hinter sich gebracht haben und zudem im Zentrum eines erbitterten Rechtsstreits stehen würde.

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Selten zuvor wurde derart vehement um ein Auto gefochten

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Noch heute erinnern sich Nachbarn mit Schrecken an das Chaos, das in den 1990er-Jahren auf dem Grundstück von Karl Kleve an der Harrison Avenue in Westwood, einer Vorstadt von Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio, geherrscht hatte. Kleve als Sonderling zu bezeichnen wäre noch sehr milde ausgedrückt. Nach einem Studium der Ingenieurswissenschaften war er während des Zweiten Weltkriegs in Los Alamos an Konstruktion und Bau der ersten Atombombe beteiligt und hatte sich danach erfolgreich als Versicherungsmakler und Grundstücksspekulant in seiner Heimatstadt Cincinnati niedergelassen. Seine Tochter Kristine Lawson erinnert sich: „Dad träumte immer davon, das perfekte Auto zu konstruieren.“ Aus diesem Grund zeichnete er Im Laufe seines Lebens 24 Prototypen, darunter den knapp sechs Meter langen Kleve 22 mit Flugzeugrädern, die stark genug waren, die Landung einer Zehn-Tonnen-Maschine auszuhalten. Außerdem verfasste er ein Buch, in dem er Kahlköpfigkeit mit Kreislaufschwäche in Verbindung brachte.

Schon als junger Mann sammelte er wahllos alles, was ihm in die Finger kam. Als er kurz nach Weihnachten 2003 im Alter von 90 Jahren starb, fanden seine Erben unter anderem eine Vielzahl von Klavieren und Konzertflügeln, stapelweise Zehn-Dollar- und 20-Dollar-Noten, Magazine, Ölfässer, ein Ruderboot der Marine aus dem Zweiten Weltkrieg, die Kabine eines B 24-Langstreckenbombers und etwa 300 Autowracks auf seinem Anwesen. Ein ganz bestimmtes Modell aber fehlte: die Reste eines Ferrari 375 Plus aus dem Jahr 1954, von dem damals nur fünf von Pininfarina entworfene Exemplare für die Sportwagen-Weltmeisterschaft exklusiv für Ferrari-Werksfahrer gebaut worden waren (V12-Triebwerk mit fünf Litern Hubrtaum, 242 kW/330 PS, Sieger der 24 Stunden von Le Mans und der Carrera Panamerikana 1954).

1958 hatte Karl Kleve dem Rennfahrer und Erben der Papiertücher-Dynastie Kleenex, Jim Kimberly, für 2500 Dollar die kläglichen, weil ausgebrannten Überreste eines solchen Modells abgekauft. 30 Jahre lang gammelte das Fahrgestell mit der Nummer 0384M auf einem Anhänger bei seinem neuen Besitzer vor sich hin, dann war es plötzlich weg. Karl Kleve meldete den Verlust bei der Polizei und gab an, der Schrotthaufen sei ihm irgendwann zwischen 1985 und 1989 abhandengekommen.

Von nun an begann das Desaster

Wenig später tauchte das Ferrari-Fragment via Atlanta/USA und vielleicht auch Paraguay im belgischen Antwerpen auf, wo der Zoll es wegen der Diebstahlanzeige aus Cincinnati zunächst beschlagnahmte, 1990 aber wieder an L’Exception Automobile, einem belgischen Autohändler, freigab. Der hatte die Teile, wie der oberste Staatsanwalt in Brüssel urteilte, in gutem Glauben erworben und konnte frei darüber verfügen. Nun trat ein anderer Belgier, Jacques Swaters, ein Ferrari-Händler und ehemaliger Rennfahrer auf den Plan und kaufte die Reste für einen ungenannten Preis. Ohne die geringste Ahnung, dass die Teile aus einem Diebstahl stammten, machte sich Swaters, der sich enger Freundschaft zu Enzo Ferrari rühmte, mit dessen Hilfe an den Wiederaufbau der Aluminiumkarosserie des Autos. Das dauerte mehrere Jahre.

1999 lokalisierte Karl Kleve seinen ehemaligen Besitz mit Hilfe von Polizei und FBI bei Swaters. Er stattete einen Anwalt mit Vollmachten, einer Eigentumsurkunde und einem Pfandrecht aus und erreichte nach einigem Hin und Her, dass Swaters 625 000 Dollar an ihn überwies. Seine Tochter freilich schwor später Stein und Bein, dass ihr Vater das Geld niemals erhalten habe.

Zehn Jahre später

Kleve und Swaters hatten inzwischen das Zeitliche gesegnet, reichte eine Tochter von Swaters Klage vor einem US-Gericht ein. Begründung: Kleve habe die Vereinbarungen des Kaufvertrags verletzt, weil er wichtige Einzelteile zurückbehalten habe. Dessen Tochter wiederum reichte umgehend Gegenklage wegen unbezahlter Rechnung ein. Außerdem erhoben plötzlich zwei weitere Kläger Besitzansprüche, einer aus Ohio, ein anderer ein US-Bürger aus der Schweiz.

2013 kam es schließlich zu einem Vergleich – alle Parteien einigten sich darauf, das Auto dem renommierten Auktionshaus Bonhams für eine Versteigerung anlässlich des britischen Goodwood Festival of Speed zu überlassen und sich danach die Beute zu teilen. Im gleichen Jahr hatte nämlich ein anderer Ferrari 375 Plus bei einer Auktion durch Sotheby’s im kalifornischen Monterey sage und schreibe 9,1 Millionen Dollar (ca. 8,4 Millionen Euro) erzielt.

Der glückliche Gewinner des Rennens um den Wagen in Goodwood war schließlich Leslie Wexner, milliardenschwerer Gründer des Damenwäsche-Imperiums Victoria’s Secret, der für den Ferrari 16,5 Millionen Dollar hinblätterte.

Doch sein Glück und die Freude über den Neuerwerb währten nicht lange. Wenig später verklagte Wexner das Auktionshaus, weil es versäumt habe, ihn über ungeklärte Eigentumsfragen zu informieren und forderte eine volle Rückerstattung seiner Millionen plus Schadenersatz. Bonhams seinerseits erhob Klage gegen Karl Kleves Tochter Kristine wegen angeblicher Verstöße beim Auftrag zur Versteigerung. Außerdem zerrten die Auktionatoren einen paraguayischen Autohändler wegen Betrugs vor den Kadi. Dieser Händler, teilte das Unternehmen mit, habe drei Tage vor der Versteigerung seinerseits Besitzansprüche erhoben. Angeblich aber stellte ihn Bonhams später mit zwei Millionen Dollar ruhig, um seinen Ruf nicht zu beschädigen.
Sämtliche Klagen rund um den Roadster sind nach insgesamt 16 Jahren nun in London zusammengelegt worden, so dass ein Richter die Streitigkeiten ein für allemal regeln kann. Die nächste Anhörung ist für September geplant. „Dieses Fahrzeug ist heute zusammen mit einer Reihe von anderen ein Teil der Bildenden Kunst geworden“, sagt Dave Kinney, Herausgeber des amerikanischen Hagerty-Preiskatalogs für Oldtimer. Das Ende des Verfahrens in London findet inmitten einer Preisexplosion für ältere Ferrari-Modelle statt. 2014 wurde ein Ferrari GTO von 1962 mit der Chassisnummer 3851GT, ein Unfallwagen, für 38,1 Millionen US-Dollar (ca. 35,1 Millionen Euro) durch Bonhams versteigert und wurde dadurch zum bisher teuersten Auto aller Zeiten.

sph/ampnet/hrr

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