Porsche 911 Carrera: Die Ausnahme wird zur Regel

Porsche 911 Carrera: Die Ausnahme wird zur Regel. © spothits/Auto-Medienportal.Net/Wollstein
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Porsche 911 Carrera

Preissenkung bei Porsche! Eine Meldung, zu schön, als dass sie wahr sein könnte. Doch irgendwie stimmt sie auch: Einen 911er Turbo bekam man bisher nicht unter 165 149 Euro, ab Dezember ist ein Elfer mit aufgeladenem Motor schon ab 96 605 Euro zu haben – einer radikalen Neujustierung des Antriebskonzepts sei Dank.

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Die Ausnahme wird zur Regel

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Diese Innovation wird Puristen genau so zetern lassen, wie 1997 die Umstellung vom luft- auf einen wassergekühlten Boxermotor. Aus Porsche-Sicht ist die Neuerung aber ebenso nötig wie konsequent. Der Hubraum – zuletzt 3,8 Liter – musste runter, um den Verbrauch zu senken, gleichzeitig durfte sich die Leistung aber nicht verringern, also wird per Turbo nachgeladen. Und das künftig bei jedem 911er. Was früher die Ausnahme war, wird jetzt zur Regel.

Wie ernst es der Zuffenhausener Sportwagen-Schmiede damit ist, zeigt auch die Tatsache, dass gleich zehn Varianten auf einmal den Abschiedskanon vom Saugmotor erklingen lassen. Analog zu den vorangegangenen Generationen wird es den neuen 3,0-Liter-Turbo-Elfer als Carrera Coupé mit und ohne „S“, mit Heck- und Allradantrieb sowie als Cabriolet und Targa geben. Die 272 kW / 370 PS starke Basisversion wird wohl der letzte 911er sein, der noch unter 100 000 Euro zu haben ist. Für jeweils 131 234 Euro markieren die 309 kW / 420 PS starken Allrad-Versionen vom Carrera Cabriolet und vom Targa das Ende der Preisskala.

Ein „großer Sprung“ ist es für Baureihenleiter August Achleitner, dass die neuen Motoren in beiden Leistungsstufen je 60 Newtonmeter mehr Drehmoment mobilisieren. Wie das wirkt, ist auf der Stoppuhr gut zu sehen. Wer im Carrera S den Rennstart-Modus, also die Launch Control, aktiviert, kann den Sprint von null auf 100 km/h in weniger als vier Sekunden schaffen. Für Achleitner ist da „eine Schallmauer“ gefallen.

Die große Renovierung der Porsche-Ikone beschränkt sich allerdings nicht auf die Installierung eines Turboladers je Zylinderbank und das Unterbieten von alten Bestmarken. Bedingt durch veränderten Frischluft- und Kühlbedarf veränderte der 911er auch sein Äußeres. Größere Lufteinlässe vorn sowie große senkrechte Lamellen auf der Motorklappe hinten sorgen für eine zuverlässige Versorgung mit dem leistungsfördernden Sauerstoff.

Da die meisten Verkehrsteilnehmer den neuen Elfer vermutlich von hinten sehen werden, können sie dort weitere Unterscheidungsmerkmale zum Vorgänger ausmachen. Nicht nur die Struktur des Lüftungsgitters verrät ihn, auch kleine, rechteckige Auslassöffnungen links und recht an der Heckschürze künden vom Novum. Da sich die Verbrennungsluft beim Verdichten erheblich erwärmt, muss sie durch zwei zusätzliche Ladeluftkühler wieder abgekühlt werden. Der Entsorgung des gebrauchten Gases dienen diese Öffnungen. Das technisch aufwändige Thermo-Management bietet optische Signale, ebenso die Abgasanlagen, die Carrera und Carrera S voneinander trennen.

Die Lader arbeiten mit einem Betriebsdruck von nur 1,1 bar, versetzen das Boxer-Triebwerk aber in die Lage, schon ab 1700 Umdrehungen das maximale Drehmoment von 450 Newtonmetern zu mobilisieren. Die 309 kW / 420 PS starke S-Version bringt es sogar auf 500 Newtonmeter. Im Unterschied zum „großen“ 911er Turbo kommen hier aber Turbinen zum Einsatz, die fest stehende Schaufeln haben. Die technisch noch anspruchsvollere Version der variablen Turbinen-Geometrie (VTG) bleibt den leistungsstärksten Elfern vorbehalten.

Ein wenig fremd klingt es schon, wenn man im neuen Coupé oder Cabrio die ersten Kilometer zurücklegt. Naturgemäß ist diese Begegnung im öffentlichen Straßenverkehr ein vorsichtiges Herantasten in niederen Tempobereichen, wo die Abwesenheit des als „typisch Neun-Elfer“ empfundenen Ansauggeräusches erst einmal irritiert. Ein wenig mehr Druck aufs Gaspedal verscheucht das Ungewohnte vorübergehend. Während die Karosse nach vorn drängt, rollt die zweiflutige Abgasanlage eine ans Vertraute erinnernden Schallteppich aus.

Die akustische Begleitung der Fahrerlebnisse ist einerseits mit dem Gasfuß, andererseits mit dem Portemonnaie dosierbar. Unterhalb von 3000 Umdrehungen ist der Carrara ein zurückhaltender Begleiter, der dezent sein Klangrepertoire kontrolliert und erst auf ausdrücklichen Wunsch des Fahrers oder der Fahrerin seine Stimme erhebt. Tempozuwachs und Schallpegel bilden dabei ein abgestimmtes Duett, ohne jedoch emotional mitzureißen. Der frei atmende Sauger ist kerniger, kehliger, manchmal auch bellender und rotziger. Die mechanischen Hindernisse für den Luftstrom auf der Einlass- wie auf der Abgasseite scheinen das akustische Potenzial ins Wattige zu dämmen.

Wer auf mehr Würze in seinem Klangmenü Appetit verspürt, wird wohl nicht darum herum kommen, sich einen Carrera S nebst kostenpflichtiger Sportabgasanlage zuzulegen. Von Hause aus ist der 37 kW / 50 PS stärkere S mit einem vierflutigen Auspuffsystem ausgerüstet, ein geänderter Schalldämpfer sowie die zentral verlegten Endrohre entfachten im Fahrtest eine Soundkulisse, die Performance und Erwartungen eher gerecht wird. Mit 260 610 Euro steht der schaltbare Klappenauspuff in der Preisliste, manche Fans halten ihren Effekt für unbezahlbar.

Es gehört zu den weniger angenehmen Seiten des Porsche-Fahrens, dass das tatsächliche Leistungspotenzial der Wagen nur selten und im Alltagsverkehr so gut wie gar nicht abgerufen werden kann. Um so dankbarer sind Autotester, wenn – wie in diesem Fall – geschützte Bedingungen es erlauben, das explosive Spurtvermögen, die enorme Lenkpräzision, die fabelhafte Spurtreue und die bissige Verzögerung nah am Grenzbereich zu erleben. Spanische Behörden haben offenbar Verständnis für die Tatsache, dass zügiges Geradeausfahren nur unvollkommene Eindrücke vom neuen 911er vermitteln kann und willigten in die vorübergehende Sperrung einer Bergstraße am Südwesthang des Pico del Teide ein.

Obwohl den Carrera vom S nur zehn Kilogramm Leergewicht und 0,3 Sekunden im Sprint trennen, ist der subjektiv empfundene Charakterunterschied viel größer. Hart und zupackend das 420-PS-Coupé, geschmeidig und verbindlich der schwächere Bruder. Für beide gilt, das der Entertainmentaspekt der Reise per Knopfdruck und zusätzlichen Einsatz von knapp 2100 Euro intensiviert werden kann. Der „Response“-Schalter am Lenkrad ist neu und veranlasst im PDK-Getriebe das Zurückschalten um zwei oder drei Schaltstufen, so dass maximaler Schub zum Beispiel zum Überholen verfügbar ist.

Außer dem großen Eingriff in den Motor haben die Porsche-Ingenieure an zahlreichen anderen Stellschrauben gedreht, um ihren Elfer nützlicher, freundlicher und wertvoller im Alltagseinsatz zu machen. Ein hydraulischer Vorderachslift etwa kostet zwar 2261 Euro, erspart aber Reparaturkosten, weil man sich an den Rampen von Hof- oder Garageneinfahrten nicht mehr die Bugschürze beschädigt. Das Navigations- und Entertainment-System wurde mit einem neuen Monitor und einer moderneren Bedienarchitektur versehen, die nach Muster eines Smartphones blättern, zoomen, scrolen und wischen lässt.

In der Summe ist die Porsche-Ikone – und das wird Fans und Kunden gleichermaßen beruhigend – trotz aller Modifikationen das geblieben, was sie ohne Standard-Turbo schon war: Ehrlich und geradeheraus, spontan, herzhaft, unverfälscht und erstaunlich leicht zu handhaben. Aber eben auch sehr kostspielig.

sph/amp/afb

Daten Porsche 911 Carrera S PDK

Länge x Breite x Höhe (in m): 4,45 x 1,81 x 1,30
Radstand (m): 2,45
Motor: 6-Zyl-Boxermotor, 2981 ccm, Biturbo, Direkteinspritzung
Leistung: 309 kW / 420 PS bei 6500 U/min
Max. Drehmoment: 500 Nm von 1700–5000 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 306 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 3,9 Sek.
ECE-Durchschnittsverbrauch: 7,9 Liter
CO2-Emissionen: 180 g/km (Euro 6)
Tankinhalt: 68 Liter
Leergewicht / Zuladung: min. 1535 kg / max. 455 kg
Kofferraumvolumen: 385 Liter
Wendekreis: 11,2 m
Reifen (v/h): 245/35 ZR 20 / 305/30 ZR 20
Luftwiderstandsbeiwert: 0,30
Preis: 110 766 Euro

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