Studie: Trotz Vollzeitbeschäftigung jeder Zehnte von Arbeitsarmut betroffen

Studie: Trotz Vollzeitbeschäftigung jeder Zehnte von Arbeitsarmut betroffen. © spothits/Gila Hanssen/PIXELIO www.pixelio.de
Studie: Trotz Vollzeitbeschäftigung jeder Zehnte von Arbeitsarmut betroffen. © spothits/Gila Hanssen/PIXELIO www.pixelio.de

In den vergangenen Jahren ist die Zahl atypisch Beschäftigter, wie etwa die der Leiharbeiter, deutlich gestiegen. Diese Gruppe der »Working Poor« ist die am stärksten von Arbeitsarmut betroffene überhaupt. Das belegt eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Die Studie ist Bestandteil des aktuellen WSI-Verteilungsberichts.

Theorie & Praxis

Anzeige

Bislang gingen Wirtschaftsexperten davon aus, dass Beschäftigte im Niederiglohnsektor Zuverdiener beim Haushaltseinkommen seien, so Dr. Eric Seils, Sozialforscher. Die Daten des Mikrozensus belegen jedoch etwas anderes. Hiernach ist jeder zehnte Beschäftigte von Arbeitsarmut betroffen. Hiernach haben die Hauptverdiener und deren Familien weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zum Leben zur Verfügung. Damit belegt die Studie, dass Arbeitsarmut für Familienernährer und deren Familien ein Problem ist.

Armutsrisiko branchenabhängig

Zudem zeigt die Untersuchung von 30 Wirtschaftszweigen, dass das Armutsrisiko branchenabhängig ist. Demnach sind in der Energieversorgung, bei Banken und Versicherungen, in der öffentlichen Verwaltung, der chemischen Industrie sowie im Fahrzeug- und Maschinenbau weniger als 3 Prozent armutsgefährdet. Im Baugewerbe sind acht, im Handel 12,5 Prozent der Beschäftigten von Armut betroffen. Überdurchschnittlich hoch ist die Quote in Kunst, Unterhaltung, Erholung sowie dem Sozialwesen. Der Höchststand liegt im Gastgewerbe. So sind 35,8 Prozent der Hauptverdiener in Gastronomie, Catering oder im Hotelbereich von Arbeitsarmut betroffen.

Fallbeispiele

Für die Untersuchung legte Seils Fallbeispiele zur Berechnung zugrunde. Dabei wurde nachgewiesen, dass Arbeitnehmer selbst bei einem Stundenlohn von mehr als 8,50 Euro nach Abzug aller Haushaltskosten und Miete trotz Anspruch auf Hartz-IV-Leistung unter der Armutsschwelle bleiben.

Mindestlohn und Tarifvertrag

Es sei ein richtiger Schritt, einen rechtsverbindlichen Mindestlohn einzuführen. Das Problem der Arbeitsarmut sei damit aber keineswegs gelöst, meint Seils. Wichtig sei eine Steigerung der Reallöhne im unteren Einkommensbereich, die etwa über flächendeckende Tarifverträge umsetzbar wäre.

Zudem stellt das Institut in einer Vergleichsstudie europäischer Mindestlöhne fest, dass der für Deutschland geplante Mindestlohn von 8,50 Euro kaufkraftbereinigt nur noch einem realen Wert von 7,14 Euro entspricht.

sph/koe

Anzeige