Manöver des letzten Augenblicks

Manöver des letzten Augenblicks. © spothits/Auto-Medienportal.Net/Volvo
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Manöver des letzten Augenblicks

Der ADAC brachte es im vergangenen Jahr auf den Punkt: “Der Notbremsassistent erkennt den drohenden Auffahrunfall und tritt selbst auf die Bremse”, schrieb der Club nach einem Test dieser Einrichtung. Fazit: “Gut, wenn dieser Beifahrer mit an Bord ist.”

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Die passive Art der Unfallvermeidung

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Nach ADAC-Meinung sollten möglichst viele Hersteller diese passive Art der Unfallvermeidung anbieten. Dieser Forderung schließen sich nach und nach immer mehr Unternehmen an. In den USA versprachen jetzt zehn Fahrzeugproduzenten dem Verkehrsministerium in Washington feierlich, eine solche, automatisch in Aktion tretende Bremse demnächst in allen neuen Modellen serienmäßig einzuführen. Weitere Produzenten schlossen sich an. Sanfter Druck dazu spüren sie auch in Europa.

Eine von der amerikanischen Sicherheitsbehörde NHTSA (National Highway Traffic Safety Administration) und dem Versicherungs- und Sicherheitsinstitut IIHS (Insurance Institute for Highway Safety) veröffentlichte Untersuchung stellte nach langer Beobachtung fest: Hätten alle Personenwagen in den USA einen automatisch arbeitenden Notbremsassistenten an Bord, könnten pro Jahr 700 000 Unfälle vermieden werden. Das sind immerhin rund 17 Prozent aller von der Polizei in den Staaten aufgenommenen Crashs. So weit die Theorie.

Doch die Praxis sieht anders aus

Im Modelljahr 2015 hatte laut IIHS gerade einmal ein Prozent aller verkauften Neuwagen in den USA einen Kollisionswarner und Notbremsassistenten serienmäßig unter der Haube, bei 26 Prozent gab es ihn wenigstens auf Wunsch als Sonderausstattung. US-Verkehrsminister Anthony Foxx schrieb der Automobilindustrie deshalb ins Stammbuch: “So lange eine solche Technik oft nur als Option zu bestellen ist und allein den meisten teuren Modellen als Standard vorbehalten bleibt, profitieren nur wenige Autofahrer davon. Das muss sich ändern.”

Automatische Bremssysteme – das zeigte die Untersuchung von NHTSA und IIHS – könnten Auffahrunfälle im Schnitt um bis zu 40 Prozent reduzieren, wobei zwischen zwei verschiedenen Ausführungen ein entscheidender Unterschied besteht. Alarmanlagen, die lediglich durch ein lautes Signal vor einem drohenden Crash warnen, würden zur Vermeidung von nur 23 Prozent dieser Unfälle beitragen und deshalb kaum vor Verletzungen schützen. Eine Kombination von Crash-Preventions-Technologien, die im äußersten Notfall auch selbstständig bremsen, könnten diese Art von Unfällen nicht nur um 39 Prozent zurückschrauben. Da sie zudem, wenn es trotzdem knallt, die Schwere des Aufpralls mindern, würde die Zahl der Verletzungen dabei um 42 Prozent abnehmen. Wassersportler nennen so etwas “Manöver des letzten Augenblicks”.

Die Studie basiert auf Polizeiuntersuchungen von Auffahrunfällen in 22 US-Staaten von 2010 bis einschließlich 2014. Dabei wurden Crashs mit Fahrzeugen von Acura (eine in Deutschland nicht angebotene Honda-Edelmarke), Honda, Mercedes-Benz, Subaru und Volvo mit automatischen Brems- und Warnsystemen verglichen mit den gleichen Modellen ohne den Assistenten. Die Forscher richteten dabei ihr Augenmerk stets auf das Fahrzeug samt Insassen, das von hinten kam. Was mit dem Opfer vorne passierte, blieb unberücksichtigt. Höchstes Lob gaben die Experten der Technik von Volvo. Das sogenannte City-Safety-System mit Notbremsfunktion drückt das Unfallrisiko demnach um 40 bis über 50 Prozent, je nach Straßenart.

“Die Beweise sind eindeutig”, erklärte IIHS-Präsident Adrian Lund. “Die meisten Unfälle haben menschliches Versagen als Ursache. Ein Notbremsassistent kann die Fehler kompensieren, die jeder Fahrer einmal macht, weil der Assistent ständig aufpasst und niemals müde oder abgelenkt wird.” Folglich erklärten Mitte Februar Audi, BMW, Ford, General Motors, Mazda, Mercedes Benz, Tesla, Toyota, Volkswagen und Volvo in den USA, demnächst das selbstbremsende Fahrerassistenzsystem freiwillig in allen ihren Modellen serienmäßig einzuführen. Diese zehn stehen immerhin für 57 Prozent des Pkw-Markts in den USA im Jahr 2014. Im Januar 2016 hatte die NHTSA angekündigt, den automatischen Notbremsassistenten in die Liste der von ihr empfohlenen erweiterten Sicherheits-Features aufzunehmen. Wenig später ermutigte das US-Verkehrsministerium auch die anderen Hersteller von Personenwagen und leichten Nutzfahrzeugen, dem Beispiel der vorbildlichen zehn zu folgen. Minister Foxx erklärte: “Wir dürfen keine Gelegenheit versäumen, mit neuen technischen Entwicklungen Leben zu retten.”

Während in Europa der Schleuderverhinderer ESP in Neuwagen gesetzlich vorgeschrieben ist und die Stotterbremse ABS aufgrund einer Selbstverpflichtung der Automobilindustrie freiwillig zum Standard gehört, gibt es weder in der Alten noch in der Neuen Welt bisher einen Zwang zum Einbau eines automatischen Bremssystems mit Warneinrichtung. Bei der Freiwilligkeit dürfte es bleiben, denn für den Verzicht auf den Notbremsassistenten – egal ob serienmäßig oder als Option – hagelt es imageschädliche Minuspunkte.

So wie in Europa das höchste Ziel aller Automarken ein Fünf-Sterne-Abschneiden beim NCAP-Test (New Car Assessment Programme – Neuwagen-Bewertungs-Programm) beiderseits des Atlantiks ist, gibt es daneben in den USA das vom IIHS vergebene Pendant “Top Safety Pick” (etwa “der Beste in punkto Sicherheit”). Ohne zumindest optional erhältlichen Notbremsassistenten gibt es nunmehr keine Chance, dieses Label zu erhalten. Genau so ist es bei NCAP. Dort gibt es nur dann fünf Sterne, wenn in der Rubrik “unterstützenden Sicherheitssysteme”, die in jüngster Vergangenheit stark erweitert wurde, eine Geschwindigkeitsbegrenzungsanlage, ein Warner bei nicht angelegtem Gurt und ein Spurhalteassistent vorhanden oder zu bestellen ist. Und ohne eine – zumindest angebotene – automatische Notbremsfunktion bleibt der Traum von den fünf Sternen Illusion.

sph/ampnet/hrr

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